Mittwoch, 21. Februar 2018

Petrus Damiani - Eremitenregel


Petrus Damiani verfasst die Eremitenregel, Vatikanische Museen

Gebet zum Gekreuzigten von Petrus Damiani
Leben des Kirchenlehrers Petrus Damiani - Kempten



Liebe Brüder und Schwestern!

Während der Katechesen dieser Mittwochsaudienzen behandle ich einige der großen Gestalten des Lebens der Kirche seit ihren Anfängen. Heute möchte ich mich mit einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des 11. Jahrhunderts beschäftigen, dem heiligen Petrus Damiani. einem Liebhaber der Einsamkeit und gleichzeitig einem unerschrockener Mann der Kirche, der sich persönlich für das von den Päpsten jener Zeit begonnene Reformwerk einsetzte. Er wurde 1007 in Ravenna geboren und stammte aus einer adeligen, aber mittellosen Familie. Nachdem er beide Eltern verloren hatte, erlebte er eine Kindheit, in der es nicht an Schwierigkeiten und Leiden mangelte, auch wenn sich seine Schwester Roselinda darum bemühte, ihm die Mutter zu ersetzen, und ihn sein älterer Bruder Damiano an Sohnes statt adoptierte. Aus diesem Grund wird er später Petrus von Damiano, Petrus Damiani genannt werden. Seine Ausbildung wurde ihm zunächst in Faenza und dann in Parma zuteil, wo wir ihn bereits im Alter von 25 Jahren im Einsatz der Lehre finden. Neben einem guten Fachwissen im Bereich des Rechts erwarb er eine feines Können in der Dichtkunst - in der „ars scribendi" -, und dank seiner Kenntnis der lateinischen Klassiker wurde er „einer der besten Latinisten seiner Zeit, einer der größten Schriftsteller des lateinischen Mittelalters" (J. Leclercq, Pierre Damien, ermite et homme d'Église, Rom 1960, S. 172).

Er tat sich in den verschiedensten literarischen Gattungen hervor: bei den Briefen angefangen bis hin zu den Predigten, von den Hagiographien zu den Gebeten, von den Gedichten bis hin zu den Epigrammen. Seine Sensibilität für die Schönheit führte ihn zur poetischen Betrachtung der Welt. Petrus Damiani fasste das Weltall als eine unerschöpfliche „Parabel" und einen weiten Raum von Symbolen auf, von denen bei der Interpretation des inneren Lebens sowie der göttlichen und übernatürlichen Wirklichkeit auszugehen ist. In dieser Perspektive drängte ihn um das Jahr 1034 die Kontemplation des absoluten Gottes dazu, sich fortschreitend von der Welt und ihren vorübergehenden Wirklichkeiten zu trennen, um sich in das Kloster von Fonte Avellana zurückzuziehen, das nur wenige Jahrzehnte zuvor gegründet worden war, jedoch schon für seine Strenge Berühmtheit erlangt hatte. Zur Erbauung der Mönche schrieb der die „Vita" des heiligen Gründers Romualdo von Ravenna und setzte sich gleichzeitig für die Vertiefung von dessen Spiritualität ein; dazu legte er sein Ideal des Einsiedler-Mönchstums dar.

Eine Sonderheit ist sofort hervorzuheben: Die Einsiedelei von Fonte Avellana war dem Heiligen Kreuz geweiht, und das Kreuz wird das christliche Geheimnis sein, das Petrus Damiani über allen anderen faszinieren wird. „Christus liebt nicht, wer nicht das Kreuz Christi liebt", sagt er (Sermo XVIII, 11, S. 117), und er bezeichnet sich als „Petrus crucis Christi servorum famulus - Petrus, Diener der Diener des Kreuzes Christi" (Ep, 9,1). An das Kreuz richtet Petrus Damiani wunderschöne Gebete, in denen er eine Sicht dieses Geheimnisses offenlegt, das kosmische Dimensionen besitzt, da es die gesamte Heilsgeschichte umfasst: „O seliges Kreuz - ruft er aus - dich verehren, dich verkünden und dich ehren der Glaube der Patriarchen, die Voraussagen der Propheten, der richtende Senat der Apostel, das siegreiche Heer der Märtyrer und die Scharen aller Heiligen" (Sermo XLVIII, 14, S. 304). Liebe Brüder und Schwestern, das Beispiel des heiligen Petrus Damiani dränge auch uns dazu, immer auf das Kreuz als den höchsten Akt der Liebe Gottes zu den Menschen zu blicken, der uns das Heil geschenkt hat.

Für den Ablauf des Eremitenlebens verfasst dieser große Mönch eine Regel, in der er besonders die „Strenge der Einsiedelei" hervorhebt: In der Stille des Klosters ist der Mönch dazu berufen, ein Leben des täglichen und nächtlichen Gebetes verbunden mit langen und strengen Fastenzeiten zu führen; er muss sich in einer großherzigen brüderlichen Nächstenliebe und in einem stets bereiten und verfügbaren Gehorsam gegenüber dem Prior üben. Im Studium und in der täglichen Betrachtung der Heiligen Schrift entdeckt Petrus Damiani die mystischen Bedeutungen des Wortes Gottes und findet in ihm Nahrung für sein geistliches Leben. In diesem Sinne bezeichnet er die Zelle des Einsiedlers als ein „Gesprächszimmer, wo sich Gott mit den Menschen unterhält". Das Eremitendasein ist für ihn der Gipfel des christlichen Lebens, es steht „am Höhepunkt der Zustände des Lebens", da der Mönch, der nunmehr frei ist von allen Bindungen an die Welt und an das eigen Ich, „die Anzahlung des Heiligen Geistes empfängt und sich seine Seele glücklich mit dem himmlischen Bräutigam vereint" (Ep 18, 17; vgl. Ep 28, 43 ff.). Dies ist auch für uns heute wichtig, auch wenn wir keine Mönche sind: es zu verstehen, in uns Stille zu schaffen, um die Stimme Gottes zu hören, um sozusagen ein „Gesprächszimmer" zu suchen, wo Gott mit uns spricht: Das Wort Gottes im Gebet und in der Betrachtung zu lernen ist der Weg des Lebens.

Der heilige Petrus Damiani, der vor allem ein Mann des Gebetes, der Betrachtung und der Kontemplation war, war auch ein feiner Theologe: Seine Überlegungen zu den verschiedenen Themen der Lehre lässt ihn Schlüsse ziehen, die für das Leben wichtig sind. So legt er zum Beispiel klar und lebhaft die Lehre von der Dreifaltigkeit dar und benutzt dazu im Rückgriff auf die biblischen und patristischen Texte bereits die drei grundlegenden Begriffe, die dann auch für die abendländische Philosophie bestimmend geworden sind: processio, relatio und persona (vgl. Opusc. XXXVIII: PL CXLV, 633-642; und Opusc. II e III: ebd., 41ff. und 58ff.). Da ihn jedoch die theologische Analyse des Geheimnisses dazu führt, das innerste Leben Gottes und den Dialog der unaussprechlichen Liebe unter den drei Personen zu betrachten, kommt er zu asketischen Schlüssen für das Leben in der Gemeinschaft und für die Beziehungen unter den lateinischen und griechischen Christen, die hinsichtlich dieses Themas gespalten waren. Auch die Betrachtung der Gestalt Christi hat bedeutsame praktische Konsequenzen, insofern die gesamte Schrift auf ihn konzentriert ist. Das „Volk der Juden selbst" - so merkt Petrus Damiani an -, „hat Christus gleichsam auf den Schultern getragen" (Sermo XLVI, 15). Christus muss daher, so fügt er hinzu, im Mittelpunkt des Lebens des Mönches stehen: „Christus soll aus unserem Mund gehört werden, Christus soll in unserem Leben zu sehen sei, in unserem Herzen wahrgenommen werden" (Sermo VIII, 5). Die innige Einheit mit Christus nimmt nicht allein die Mönche in die Pflicht, sondern alle Getauften. Wir finden hier eine starke Mahnung auch an uns, uns nicht völlig von den Aktivitäten, Problemen und Sorgen des Alltages aufsaugen zu lassen und dabei zu vergessen, dass Jesus wirklich im Mittelpunkt unseres Lebens stehen muss.

Die Gemeinschaft mit Christus schafft Einheit der Liebe unter den Christen. Im 28. Brief, der eine geniale Abhandlung zur Ekklesiologie darstellt, entfaltet Petrus Damiani eine tiefe Theologie der Kirche als Gemeinschaft. „Die Kirche Christi" - so schreibt er - „ist durch das Band der Liebe bis zu dem Punkt geeint, dass sie so, wie sie eine mehrgliedrige Einheit ist, mystisch auch ganz in jedem einzelnen Glied ist; so wird die ganze universale Kirche zurecht die eine Braut Christi in der Einzahl genannt, und jede erwählte Seele wird durch das sakramentale Geheimnis in vollem Sinne als Kirche angesehen." Das ist wichtig: Nicht nur die ganze universale Kirche soll eins sein, sondern in jedem von uns sollte die Kirche in ihrer Ganzheit gegenwärtig sein. So wird der Dienst des Einzelnen „Ausdruck der Universalität" (Ep 28, 9-23). Nichtsdestoweniger entspricht das ideale Bild der von Petrus Damiani erläuterten „heiligen Kirche" nicht der Wirklichkeit seiner Zeit - und er wusste das sehr wohl. Daher scheut er es nicht, den Zustand der in den Klöstern und unter dem Klerus bestehenden Korruption aufzuzeigen - vor allem aufgrund der Praxis, dass die weltlichen Autoritäten die Investitur der kirchlichen Ämter vollzogen: Verschiedene Bischöfe und Äbte verhielten sich mehr wie Regierende gegenüber den eigenen Untertanen denn als Seelenhirten. Nicht selten ließ ihr moralischer Wandel sehr zu wünschen übrig. Daher verlässt Petrus Damiani 1057 mit großer Traurigkeit das Kloster und nimmt, wenn auch unter Schwierigkeiten, die Ernennung zum Kardinalbischof von Ostia an. Damit tritt er voll in die Zusammenarbeit mit den Päpsten bei dem nicht leichten Unterfangen der Reform der Kirche ein. Er hat gesehen, dass die Kontemplation nicht ausreichend war, und musste auf die Schönheit der Kontemplation verzichten, um seinen helfenden Beitrag für das Werk der Erneuerung der Kirche zu leisten. Er hat so auf die Schönheit der Einsiedelei verzichtet und voller Mut zahlreiche Reisen und Missionen unternommen.

Aufgrund seiner Liebe zum monastischen Leben erhielt er zehn Jahre später, im Jahr 1067, die Erlaubnis, nach Fonte Avellana zurückzukehren, und verzichtete so auf die Diözese von Ostia. Die ersehnte Ruhe jedoch ist von kurzer Dauer: Bereits zwei Jahre später wird er mit dem Auftrag nach Frankfurt entsandt, die Scheidung Heinrichs IV. von seiner Frau Berta zu verhindern. Und weitere zwei Jahre später, im Jahr 1071, geht er nach Montecassino zur Weihe der Abteikirche. Und zu Beginn des Jahres 1072 begibt er sich nach Ravenna, um den Frieden mit dem dortigen Erzbischof wiederherzustellen, der den Gegenpapst unterstützt und so das Interdikt über die Stadt verschuldet hatte. Während der Rückreise zu seiner Einsiedelei zwang ihn eine plötzliche Erkrankung, in Faenza im Benediktinerkloster „Santa Maria Vecchia fuori porta" haltzumachen. Und dort starb er in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 1072.
Liebe Brüder und Schwestern, es ist eine große Gnade, dass der Herr im Leben der Kirche eine derartig überschwängliche, reiche und vielschichtige Persönlichkeit hervorgebracht hat, wie es der heilige Petrus Damiani ist, und es kommt nicht alle Tage vor, derartig scharfsinnige und lebendige Werke der Theologie und Spiritualität zu finden wie jene des Einsiedlers von Fonte Avellana. Er war Mönch bis ins Letzte, mit Ausgestaltungen der Strenge, die uns heute sogar übermäßig vorkommen könnten. Auf diese Weise aber hat er aus dem monastischen Leben ein beredtes Zeugnis für die Vorherrschaft Gottes und einen Aufruf an alle gemacht, frei und ohne Kompromisse mit dem Bösen zur Heiligkeit fortzuschreiten. Er verzehrte sich mit hellsichtiger Kohärenz und großer Strenge für die Reform der Kirche seiner Zeit. Er schenkte all seine geistigen und körperlichen Kräfte Christus und der Kirche; dabei aber blieb er immer, wie er sich gerne zu bezeichnen pflegte, „Petrus ultimus monachorum servus - Petrus, der letzte Diener der Mönche".
(Generalaudienz Papst Benedikt XVI. vom 9. September 2009)



Deckenfresko, Petrus Damiani, Vatikanische Museen

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